Bella Italia (Teil I)

Italien3Zwei Wochen quer durch Italien, ein Land, das mein Freund und ich zum ersten Mal bereisen – untypisch für mich, ohne die Landessprache zu beherrschen. Ging es doch sonst meist nach England oder Spanien… Aber wir stellen uns der Herausforderung und legen in dem Land, wo die Zitronen blühen fast 1000 km zurück, entdecken und bewundern einen Ort nach dem anderen, hauptsächlich mit dem Zug, ab und zu mit dem Boot, Goethes Italienische Reise fest in der Hand.

Venedig – Verona – Mailand

Venedig
Angekommen in Venedig entscheiden wir uns am Flughafen gegen den Bus und für das Wassertaxi, damit wir uns der wunderschönen Wasserstadt angemessen nähern.
Die ursprünglich als Fluchtstätte vor Hunnen auf Pfahlrosten errichtete Hauptstadt der Provinz Venezia liegt heute auf 120 Inseln in einer Lagune.
Statt Straßen gibt es über 150 Kanäle über die an die 400 Brücken führen, statt eines Auto besitzt hier jeder ein Boot. Im Mittelalter wurden benachbarte Inseln in die Bebauung einbezogen oder die in den schlickigen Meeresboden geschlagenen Pfähle dienten als Fundament für Paläste, Kirchen und Wohnhäuser. So gibt es tatsächlich immer noch Gebäude, die ausschließlich mit dem Boot zu erreichen sind. Die gesamte Stadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Die Bootsfahrt vom Flughafen dauert freilich etwas länger und auch das erste Hotel in den verwinkelten Gassen ausfindig zu machen, ist nicht so leicht. Dennoch entscheiden wir uns, ganz wie Goethe über zweihundert Jahre vor uns, „nach Tische […] einen ersten Eindruck des Ganzen zu versichern“, und werfen uns „ins Labyrinth der Stadt, welche, obgleich durchaus von Kanälen und Kanälchen durchschnitten, durch Brücken und Brückchen wieder zusammenhängt“. Ich kann den großen Dichter auch darin nur bestätigen: „Die Enge und Gedrängtheit des Ganzen denkt man nicht, ohne es gesehen zu haben.“
Das monumentale Zentrum der Stadt ist seit 1000 Jahren die Piazza San Marco mit dem Dogenpalast und der orientalisch inspirierten und kostbar ausgestatteten Basilica di San Marco.
„Den Plan in der Hand“ suchen auch wir uns „durch die wunderlichen Irrgänge“, beobachten das Treiben „auf dem Platz und am Ufer, auf den Gondeln und im Palast, der Käufer und Verkäufer, der Bettler, der Schiffer“ – fast alles wie bei Goethe, nur auf eine Gondelfahrt müssen wir bei Preisen von bis zu 150 Euro pro Person leider verzichten. Nach der ersten ausführlichen Stadtbesichtigung drängt es uns nach etwas Ruhe vom Trubel und wir wandeln weiter auf des Dichters Spuren, nehmen ein nächstes Wassertaxi zu der langgestreckten Insel namens Lido, welche die Lagunen von der offenen Adria trennt. Das erste Bad im Mittelmeer ist wunderschön, auch wenn oder gerade weil wir fast die einzigen am langen Sandstrand sind.
Am nächsten Tag geht es auf dem Canal Grande, der Hauptverkehrsader, die mal 35, mal 70 Meter breit ist, unter der Ponte di Rialto, der prächtigsten der vielen Brücken, hindurch zum Bahnhof. Durch ein Plakat mit der Aufschrift „Stop Mafia“ werden wir kurz aus dem Schwärmen zurück in die Realität geholt – die Mafia ist noch längst nicht ausgestorben in Italien.
Die Trennung von der ‚Stadt auf dem Wasser’ fällt schwer und wir werden sicher noch einmal hierher zurückkommen. Nun allerdings wartet die nächste Station: Verona.

Verona
Als ein Pilgerort der Liebenden wird Verona oft bezeichnet, als ein Ort, der dank William Shakespeare den Mythos der tiefen Liebe Romeo und Julias in sich trägt. Außerdem ist Verona aber auch die Stadt der Künste und der Opernfestspiele, in der zwei Jahrtausende Kunst- und Kulturgeschichte zu finden sind und die 89 vor Christus als Kolonie der Römer gegründet wurde. Der systematische Schachbrettgrundriss in der von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichneten Altstadt ist heute noch deutlich zu erkennen.
Das Amphitheater Veronas war für Goethe „das erste bedeutende Monument der alten Italien2Zeit“ auf seiner Grand Tour durch Italien und genau wie wir es sind, war auch er bei diesem Anblick begeistert.
Die Arena von Verona gilt als das besterhaltene römische Amphitheater der Welt. Im ersten Jahrhundert nach Christus gebaut, um Gladiatorenkämpfe auszutragen, finden dort heute die jährlichen Opernfestspiele statt und ich kann Goethe auch jetzt, über 200 Jahre später, nur bestätigen: „Wegen der Unterhaltung dieses Werks müssen die Veroneser gelobt werden.“ Man fühlt sich einerseits in die Antike zurückversetzt, andererseits aber auch heute noch gut aufgehoben innerhalb der anmutigen Mauern und kann sich die Oper unter freiem Himmel darin sehr gut vorstellen.
Weiter geht es, nach langer Suche und verschiedenen Richtungsangaben vieler freundlicher Veroneser, zum Casa di Giulietta, wobei es sich vermutlich um das Familienhaus der unglücklich verliebten Julia aus Shakespeares weltbekannter Tragödie handeln soll.
Der Anblick der sich vor dem unspektakulär wirkenden Balkon drängenden Massen, die vom Brust-Streicheln der Bronzefigur Julias und vom sich Verewigen durch Liebesschlösser oder Signaturen nicht genug bekommen können, und von denen ein Großteil sicher nicht einmal weiß, wer William Shakespeare war, schockiert mich. Auch scheint es weniger der englische Dichter zu sein, der hier beeindruckt, als vielmehr die vielen Liebesaccessoires, die man rund um das Haus kaufen kann.
Also schnell weiter, nach einem ‚Spritz’, dem Getränk des Sommers in Italien, zur traumhaften Ponte Pietra, der ältesten Brücke über den Fluss Etsch, die zum ältesten Teil der Stadt führt. Der Blick ist traumhaft, der Moment dort auch, aber es bleibt nicht viel Zeit zum Verweilen, denn der nächste Zug ruft.

Mailand
Nach Verona kommen wir etwas von Goethes Route ab, Mailand ist das nächste Ziel, trotz der vorherigen Ankündigung einiger Bekannter, dass es doch schönere Städte in Italien gäbe. Und wir sind froh, darauf nicht gehört zu haben, schon der Bahnhof dieser eleganten Stadt beeindruckt uns.
Italien1Die Suche nach einem Hotel beginnt, das erste Mal ein kleiner Hauch von Ungewissheit, aber alles geht gut und der nächste Tag besticht durch den Besuch im Mailänder Dom.
Das Meisterwerk italienischer Gotik taucht nach einer kurzen U-Bahnfahrt vor uns auf. Über zweitausend Statuen zieren die Fassade aus weißem Marmor. Wir haben Glück, es ist Sonntag, und wir können einige Momente der heiligen Messe miterleben.
Unglaublich beeindruckt zieht es uns dennoch weiter. Fast ganz ohne in Mailand dem Kaufrausch zu verfallen, geht es noch am selben Tag in Richtung Meer.
Auf Orte wie Vicenza, Padua oder auch Parma, der Stadt des Schinkens und des Parmesans, müssen wir auf der Route durch Norditalien diesmal leider noch verzichten, bei der nächsten Reise sind sie aber unbedingt Pflichtprogramm.
Für uns soll nun nach den vielen Fußmärschen ein Aufenthalt an der ligurischen Küste für ein bisschen Entspannung sorgen. Im nächsten Beitrag geht es weiter mit Genua, Sestri Levante und Lerici.