Muttersprache – Sarah Connor

IMG_0037Als Wie schön du bist die ersten Male im Radio lief, war das für den Einen oder die Andere sicher überraschend. Guter Text, gute Musik, gute Stimme und deutsche Sprache, das gibt es leider viel zu selten. Neu ist die Stimme allerdings ganz und gar nicht, es ist tatsächlich Sarah Connor, die ganz und gar unschnulzig von Liebe, Schmerz und Wahrheit singt – irgendwie melancholisch, aber irgendwie auch voll von Lebensfreude. Ist man von ihr doch eigentlich amerikanische Pop-Lieder gewohnt, erklingen nun bodenständig ruhige Klänge und Gesänge. Und ein Lied ist besser als das andere: Was ist denn da passiert?

Mit dem Album Muttersprache (22. Mai 2015) hat Sarah Connor, die übrigens als Sarah Marianne Corina Lewe in Delmenhorst zur Welt kam, bereits ihr neuntes Album veröffentlicht, allerdings das erste in deutscher Sprache. Wie es zu diesem Sinneswandel kam, hat sich auch Stefan Raab gefragt. In seiner TV total- Sendung vom 26.05.2015 fragt er die Sängerin, ob sie nun Englisch verlernt hätte oder ihr keine ordentlichen Texte eingefallen seien. Die Gründe seien andere, erklärt Sarah daraufhin. Es sei ein Schlüsselmoment bei der Fernsehsendung „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ (VOX, 2014) gewesen. Als sie das Lied „Keiner ist wie Du“ von Gregor Meile gesungen hatte, habe sie zum ersten Mal etwas empfunden bei der deutschen Singsprache. Spontan gibt sie noch eine Version des deutschen Volksliedes „Mein Vater war ein Wandersmann“ in bester Soul-Manier zum Besten. In einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost vom 15.05.2015 erklärt sie außerdem, dass sie verstanden werden will und deshalb das Bedürfnis hatte, ein Album in deutscher Sprache aufzunehmen.

Nun singt sich die 35 Jährige mit ihrer Muttersprache nach und nach in die Herzen der Hörer und in die ihrer Kinder, die sie zu den Texten inspirieren. Zu Wie schön Du bist zum Beispiel habe sie ihr Sohn inspiriert, damit wolle sie ihm mitteilen, das Narben, Wut und Weinen genau wie Lachen zum Leben dazugehören. Das Lied kletterte sogleich auf Platz zwei der deutschen Charts, das Album schaffte es sogar auf Platz eins in Deutschland und der Schweiz. Auch die zweite Auskopplung des Albums, Bedingungslos, ist einem ihrer Kinder gewidmet, ihrer Tochter, die mit einem Herzfehler geboren wurde.

Ein Großteil der Lieder des Albums entstand in Zusammenarbeit mit den Produzenten der Gruppe Rosenstolz. Und es ist ein wirklich schönes Album geworden, mit Liedern zum Freuen, zum Hoffen, zum Weinen und zum Schunkeln. Bis sich Sarah vor fünf Jahren aus der musikalischen Öffentlichkeit weitestgehend zurückzog, sah und hörte man von ihr leider ausschließlich amerikanische Musik für amerikanisch geprägte Ohren mit Texten für amerikanisch geprägte Geister, doch in Muttersprache geht es nicht nur um Pop-typische Themen wie Liebeskummer oder schlimmeres, sondern auch um ethische Fragen, zur Politik, zur Religion. Und es wird gereimt, und zwar auf eine Art, die einigen Liedern einen Kinderlied-Charakter verleihe, doch auch trotz der „Ähnlichkeit zu Rolf Zuckowski“-Kinderliedern, so betont Johanna Bruckner in ihrem Artikel „Deutsches Leidgut“ (Süddeutsche Zeitung, 22. Mai 2015), dringe das Pop-Sternchen, das vor allem mit eher einfachen englischen Texten die Ohren ihrer Hörer quirlte, in dem einen oder anderen Lied noch durch. Auch die Einflüsse anderer deutschsprachiger Lieder sind deutlich hörbar, so kommt Das Leben ist schön dem Lied “Zerrissen” von der Gruppe Juli gefährlich nah. Was man Sarah Connor aber definitiv nicht absprechen kann ist, dass ihre Stimme klingt, wie Samt sich anfühlt und endlich singt sie in ihrer Muttersprache – ehrlicher und schöner geht es nicht.