Humor ohne Tabus

Das Lachen der Anderen„Mein Name ist Micky Beisenherz.“„Mein Name ist Oliver Polak.“„Und zusammen sind wir Micky Beisenherz…“„… und Oliver Polak.“

Die Sendung, die mit einem stumpfsinnigen Witz beginnt, entpuppt sich als Lichtblick der ansonsten sehr flachen Abendunterhaltung. Das Lachen der Anderen – Comedy im Grenzbereich ist unglaublich authentisch, oft trocken, zuweilen extrem, aber vor allem immer witzig.

In der Comedy-Sendung, dessen zweite Staffel im Frühjahr beim WDR lief, besuchen Comedian Oliver Polak und Autor Micky Beisenherz Menschen aus Randgruppen. Personen mit Krankheiten und Behinderungen, mit einem lebensbestimmenden Glauben an Gott, mit einem speziellen Lebensstil – kurz: jene, die in der Gesellschaft auffallen. Polak und Beisenherz lernen diese Menschen kennen, fühlen ihnen auf den Zahn und befragen sie nach ihrem Leben und Alltag. Die daraus gewonnenen Geschichten verarbeiten sie im Anschluss zu einem Stand-up, vorgetragen von Polak vor allen Beteiligten und Befragten.

Polak und Beisenherz begleiten Kleinwüchsige, die über ihre Hürden im Haushalt berichten und Adelige, die selbstironisch mit Klischees kokettieren. Sie besuchen Senioren, die über ihre Angst vor dem Tod sprechen und Blinde, deren Schnitzel in der Pfanne verbrennen. Sie zeigen, wie gut und böse das Leben spielt, und dass man darüber verzweifeln – oder lachen kann.

Besonders Polak wirkt dabei hin und wieder wie eine Parodie seiner selbst – mit bewusster Absicht. Der gebürtige Niedersachse mit jüdischer Herkunft polarisiert mit seiner „Null-Bock“-Haltung und einer seine Stimmung unterstreichenden Bekleidung aus Jogginghose und Adiletten. Öffentlich zu seiner Behandlung wegen Depressionen stehend, nimmt Polak bevorzugt die Rolle des Kritikers ein, während Beisenherz seine nicht weniger beißenden Kommentare durch viel Charme zu verbergen versteht. Die Fragen der beiden sind direkt, ehrlich und manchmal unangenehm. Und so ist auch der Humor. Aber das muss er auch sein, um aufzuzeigen, wie ausgrenzend und diskriminierend politische Korrektheit sein kann. Denn die Angst, etwas Falsches zu sagen und zu fragen führt viel zu oft zum Schweigen. Letztendlich sind es ganz normale und doch gesellschaftlich tabuisierte Fragen, die die beiden und wohl auch die Zuschauer beschäftigen, die man sich jedoch nie zu stellen traut: Wie funktioniert die (sexuelle) Beziehung Kleinwüchsiger zu „normal“ Gewachsenen? Wo war Gott während des Holocaust? Welche Leistung hast du für deinen Reichtum erbracht? Und: Stört es dich tatsächlich, wenn ich dich offen auf diese „Tabus“ anspreche?

Es ist in erster Linie nicht der Humor, der bei dieser Sendung im Vordergrund steht, sondern die Beseitigung von Schranken im Kopf und schließlich in der Gesellschaft. Und die Infragestellung der altbekannten Annahme, dass man über gewisse Dinge nicht lachen, sie nicht betonen, ja nicht einmal sie ansprechen darf. Dabei sind es vor allem die Personen, die es vermeintlich am schwersten getroffen haben und am wenigsten an der Gestaltung ihrer Lebensumstände beteiligt waren, die am offensten und freisten mit ihrer Situation umzugehen und darüber zu kommunizieren im Stande sind – und zwar miteinander im Gespräch, nicht übereinander hinter jemandes Rücken!

In der Mediathek des WDR sind alle Folgen der Sendung abrufbar.

Foto: Screenshot aus der Folge „Ein neues Wir“.