Porträt einer Stadt – Christopher Isherwood

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berlin-261402_1280Ein Brite in Berlin – Christopher Isherwood, dessen Namen viele heute vielleicht nur noch im Zusammenhang mit den Verfilmungen Cabaret und A Single Man kennen – hat mit seinem Berlin-Roman Goodbye to Berlin (1939) ein bleibendes Porträt einer Stadt geschaffen, die um 1930 von aufkeimender Fremdenfeindlichkeit, dem Abschied von der Dekadenz der 1920er Jahre, dem Verfall der Weimarer Republik und einer immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich gezeichnet war.

Isherwood, der leider all zu häufig nur auf seine Homosexualität reduziert wird, stellt die politischen und gesellschaftlichen Krisen Deutschlands vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in seinem Roman so subtil dar, dass der Leser kaum merklich Teil der Geschichte wird. Nicht nur Teil einer Erzählung, sondern auch Teil der deutschen Geschichte. Insbesondere für den heutigen Leser, der das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg nicht selber miterlebt hat, bieten die Romane eine Möglichkeit die Lebenseinstellungen, die Ängste und Wünsche der damaligen deutschen Bevölkerung nachzuempfinden und zugleich kritisch zu hinterfragen.

Goodbye to Berlin hat autobiografische Züge und basiert auf Isherwoods Tagebüchern, die er während seiner Zeit als Englischlehrer in Berlin geführt hat, darum trägt auch der Erzähler den Namen Christopher Isherwood. Der Leser lernt Berlin also einerseits von einer sehr persönlichen Warte aus kennen und andererseits bemüht sich der Erzähler um eine gewisse Objektivität. So beschreibt Isherwood als Erzähler von Goodbye to Berlin seine Vorgehensweise folgendermaßen:

“I am a camera with its shutter open, quite passive, recording, not thinking. Recording the man shaving at the window opposite, and the woman in the kimono washing her hair. Some day, all this will have to be developed, carefully printed, fixed.“

Diese scheinbare Distanziertheit zum Geschehen, die an einigen Stellen auch aufgrund der persönlichen Involviertheit des Autors nicht ganz durchgehalten werden kann, ist es auch, die Einblicke in die unterschiedlichsten Schichten und politischen Überzeugungen gewährt. So begleiten wir Isherwood dabei, wie er sich mit Fräulein Schroeder, seiner Vermieterin herumärgert, die sich allmählich von der Ideologie der Nazis mitreißen lässt. Wie er Otto Nowak kennenlernt, der als junger Mann vor einer Zukunft ohne Perspektive steht. Oder die aus Cabaret bekannte Sally Bowles, die Stammgast im Berliner Nachtleben ist.

Mit Goodbye to Berlin hat Christopher Isherwood ein Werk hinterlassen, das gerade durch seinen mutmaßlich objektiven und passiven Erzählstil ein sehr wirklichkeitsgetreues Abbild Deutschlands und seiner Bevölkerung in den frühen 1930er Jahren schafft.

Bildnachweis: Pixabay CC0 Public Domain (cocoparisienne)