Kimspiriert

Oktober 2017

Kim ist 29, sportlich, lebensfroh. Im Januar 2017 macht sie mit ihrem Freund Chris eine Reise nach New York, von der sie schon lange geschwärmt haben. Doch die Reise endet nicht wie geplant. Wegen starker Schmerzen in der Brust, Atem- und Herzbeschwerden kommt Kim in ein New Yorker Krankenhaus. Was die Ärzte dort vermuten, wird ihr nach weiteren Untersuchungen in Deutschland bestätigt: Diagnose Brustkrebs. Ihr Leben in ihrer Wahlheimat Hamburg dreht sich auf einmal um 180 Grad. Sie muss ihren Job vorerst pausieren, muss fast täglich ins Krankenhaus. Immer mit dabei sind ihre Follower auf Instagram. Da ist Kim schon seit einigen Jahren recht aktiv, sie verzeichnet dort mittlerweile über 50.000 Follower. Ihre „Instis“ nimmt sie auf diesem harten und steinigen Weg mit und zeigt brutal ehrlich das Leben einer Krebskranken. So dokumentiert sie zum Beispiel auch, wie ihr Freund Chris den Rasierapparat zückt und ihre moderne Kurzhaarfrisur abrasiert. Der kahle Kopf ist nun auch das äußerliche Merkmal, das zeigt, dass sie mit dieser lebensgefährlichen Krankheit zu kämpfen hat. Doch kämpfen ist genau das, was sie tut. Sie zeigt auf Instagram und auch auf der Videoplattform YouTube, wie viel Kraft in ihr steckt und dass sie sich vom Krebs, den sie „Zecke“ nennt, nicht unterkriegen lässt. Mehrere Operationen muss sie über sich ergehen lassen, zuletzt im Oktober die Abnahme der Brust. Hinter ihr stehen Freund, Freunde und Familie. Ihre Mutter, die selbst bereits den Krebs besiegt hat, ist wohl ihre größte Inspiration. Kim nutzt außerdem ihre Reichweite, um auf Brustkrebsorganisationen aufmerksam zu machen, hält Interviews mit dem Magazin Cosmopolitan und bringt den Krebs aus der Tabuschiene. Sie bricht mit dem Ruf, der „Instagrammern“ vorauseilt: Sie zeigt unverblümt die reale Welt, zeigt auch Schwäche, zeigt Verzweiflung, zeigt, dass es ok ist, sich auch professionelle Hilfe zu holen, wenn man es alleine nicht mehr schafft. Kim gibt somit vielen – vor allem jungen – Frauen Mut und zeigt, dass das Leben zu schön ist um es nicht zu genießen.

 

Januar 2018

Es ist Montagmorgen, der erste Tag des neuen Jahres. Ich bin mit einer Freundin auf Schwedenrundreise, bei einer kurzen Pause in einer Fastfoodkette nutze ich das WLAN und öffne Instagram. Auf meiner Startseite sehe ich, dass meine Lieblings-Instagrammerin „kimspiriert“ ein neues Bild hochgeladen. „Sicher wünscht sie ein frohes neues Jahr und viel Kraft“, denke ich mir. Doch dann lese ich den Text unter ihrem Portrait. Es ist ein von der Familie verfasster Abschiedsbrief. Die 30-jährige Kim hat ihren Kampf gegen dem Krebs in der Silvesternacht verloren. Ich bin schockiert und sprachlos und muss ein paar Tränen zurückhalten. Ich kannte Kim nicht, doch irgendwie kannte ich Kim. Ihre Lebenslust ließ sie sich durch die Krankheit nicht nehmen, bis zuletzt nicht. Durch diese vielen Einblicke wurde Kim für mich und viele andere wie eine gute Bekannte, fast wie eine Freundin. Man konnte mit ihr in Kontakt treten, sie war real und existierte doch irgendwie nur in meinem Mobiltelefon. Man fieberte mit und freute sich, dass ihre Haare wieder wuchsen. Der Krebs hatte gestreut, unter anderem in die Knochen und ins Gehirn. Eine erneute Bestrahlung stand an und die Haare mussten wieder weichen. Ihre letzten Tage verbrachte sie in einem Hospiz in ihrer Heimat Flensburg. Sie ging dort aber nicht rein um zu sterben, sondern um sich zu erholen und voller Stärke das kommende Jahr zu bezwingen. Sie erzählte von ihren Träumen, ihren Wünschen und ihren Hoffnungen. Ihr plötzlicher Tod schlug sehr hohe Wellen. Zeitschriften, Zeitungen, Online-Magazine und viele Menschen auf Instagram erzählten ihre Geschichte, ihre Followerzahl stieg um mehr als das Doppelte. Ich bin aus meiner Schockstarre erwacht und versuche die Dinge, die sie stets gepredigt hat, zu befolgen. Es ist faszinierend, wie ein fremder Mensch durch das Internet einen Platz im Herzen finden kann. Und es ist wichtig, dass Geschichten wie Kims weitergetragen werden. Der Tod gehört zum Leben dazu und sollte, ebenso wie Krankheiten, nicht tabuisiert werden. Chris arbeitet gerade an einer Posterkollektion mit Kims Lieblingssprüchen. Den Erlös will er einer Krebsorganisation spenden. So will er Kims Vermächtnis in Ehren halten und weiteren Betroffenen helfen und Mut machen.

 

Artikel zu diesem Thema gibt es hier:

cosmopolitan

bento

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kimspiriert (Fotoquelle)

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