Frühling

Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
»Er kam, er kam ja immer noch«,
Die Bäume nicken sich’s zu.

Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuss auf Schuss;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muss.

Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: »Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai.«

O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh’:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag’s auch du.

Theodor Fontane
(1851)

Das Gedicht „Frühling“ von Theodor Fontane gliedert sich in vier Strophen mit je vier Versen, die einen Kreuzreim aufweisen. Dieser verleiht dem Gedicht einen melodischen Rhythmus.

Die erste Strophe thematisiert das Erwachen des Frühlings, das durch den „grünen Knospenschuh“ (V. 2) dargestellt wird. Erste grüne Zweige und Blätter zeigen sich. „Die Bäume nicken sich´s zu“ (V. 4), dass der Frühling nun da ist, denn „er kam, er kam ja immer noch“ (V. 3), wie in jedem Jahr. Das Wort „endlich“ im ersten Vers macht die Vorfreude auf die neue Jahreszeit deutlich.

Voller Erwartung und Vorfreude fangen die Bäume an zu sprießen, jedoch sträubt sich „im Garten der alte Apfelbaum“ (V. 7). Doch auch er muss bald erblühen. In der dritten Strophe wehrt sich auch „das alte Herz“ (V. 9) gegen den Frühling und die damit verbundenen Veränderungen und Neuanfänge, denn es ist erst März und noch nicht Mai (V. 8-9). Doch schließlich muss ein jeder den Winter abschütteln, der als „schwerer Traum“ (V. 13) dargestellt wird. Denn „die lange Winterruh´“ (V. 14) ist nun vorbei. Nachdem es der alte Apfelbaum im Garten schlussendlich auch gewagt hat, ist nun das Herz an der Reihe, welches direkt angesprochen wird: „Herze, wag´s auch du.“ (V. 16).

Insgesamt erzeugt das Gedicht eine vorfreudige Stimmung auf den Frühling, der für einen Neuanfang steht. Die Bäume ermutigen sich gegenseitig, die Winterruhe zu beenden und zu erblühen. Sie können als Stellvertreter für alle Lebewesen und Pflanzen betrachtet werden. Auch der Mensch soll zu einem Neuanfang ermutigt werden.

Heinrich Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren. Seine Eltern waren der Apotheker Louis Henry Fontane und Emilie Fontane. Nachdem er das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Neuruppin besucht hatte, ging er zur Gewerbeschule von Karl Friedrich Klöden in Berlin, brach die Ausbildung jedoch 1836 ab und begann seine Lehre zum Apotheker. Nachdem er einige Stellen als Apothekergehilfe angetreten hatte (1840-1844), leistete er vom 1. April 1844 bis zum 31. März 1845 seinen Militärdienst als Freiwilliger ab. Am 8. Dezember 1845 verlobte er sich mit Emilie Rouanet-Kummer. Die Hochzeit folgte am 16. Oktober 1850. Zu dieser Zeit hatte Fontane seinen Beruf

Theodor Fontane (1860)

als Apotheker aufgegeben und arbeitete zunächst als freier Schriftsteller. Daraufhin folgten Anstellungen für die „Centralstelle für Preßangelegenheiten“ (1851), die Vossische Zeitung (1870) und für die Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung (1851). Fontante widmete sich immer wieder seinen Reiseberichten, die von großem öffentlichen Interesse waren, da sich nur wenige Menschen das Reisen leisten konnten. Theodor und seine Frau Emilie bekamen sieben gemeinsame Kinder, von denen drei Söhne kurz nach der Geburt starben. Am 20. September 1898 starb Heinrich Theodor Fontane in Berlin an einer Gehirnischämie.

Fontane war nicht nur als Verfasser von Reiseliteratur und als Journalist bekannt. Er gilt als wichtigster Vertreter des literarischen Realismus. In seinen Werken finden sich häufig gesellschaftskritische Elemente und Ironie wieder. Seine bekannteste Werken sind die Romane „Effie Briest“, „Der Stechlin“ und „Irrungen, Wirrungen“.

Bildquelle: Wikipedia, Gemeinfrei