Liebe ist stärcker als tödtliche Schmerzen

1725

Liebe ist stärcker als tödtliche Schmerzen
Liebe die brinnet und brennet im Hertzen.
Liebe bündt Gott/ und die Menschen zusammen
Liebe halt bende in Hitze und Flammen.

Liebe die Liebende ausser sich setzet/
Liebe mit Lieben in Gott sich ergötzet.
Liebe zerschmeltzet die Hertzen insamein
Bis alle nur eins in Gott werden seyn.

Paranssus_Boicus_1722

„Liebe ist stärcker als tödtliche Schmerzen“ wurde 1725 von einem anonymen Dichter verfasst. Veröffentlicht wurde es in der zeitgenössischen Zeitschrift „Parnassus Boicus“.

Diese Zeitschrift gehörte zu den ersten Wissenschaftszeitschriften in deutscher Sprache und setzte sich für die Belebung der Wissenschaft im Allgemeinen und eine sprachliche Emanzipation vom Lateinischen ein sowie für die Förderung der deutschen Sprache.

Das Liebesgedicht umfasst zwei Strophen mit insgesamt acht Versen. Die erste Strophe enthält einen Paarreim. Charakteristisch für den dritten Vers ist die Silbentrennung. Die letzte Silbe des Wortes „zusammen“ ist abgetrennt und steht mittig in der nachfolgenden Zeile. Durch die Trennung dieses Adverbs, das semantisch eine Verbundenheit beschreibt, wird eine Verbindung von der ersten zur zweiten Strophe hergestellt. Die erste und zweite Strophe ist zudem durch ein einen weiteren Paarreim verbunden, der sich in der zweiten Strophe durchgängig fortsetzt.

Diese formale Gestaltung spiegelt das Thema des Gedichtes: Verbundenheit. „Liebe ist stärcker als tödtliche Schmerzen“ beschreibt das Gefühl der Liebe und Verbundenheit metaphorisch. Es ist ein Gefühl, das mächtig und warm ist wie „Hitzen und Flammen“ (V. 4) und die Herzen der Liebenden miteinander verschmelzen lässt (V. 7). Diese Macht des Gefühls betont die Anapher „Liebe“ zu Beginn der ersten sieben von acht Versen. Der letzte Vers ist zudem dadurch, dass dieser Vers den einzigen Nebensatz enthält, von den vorherigen Versen getrennt und bildet damit die Pointe des Gedichts. Diese Betonung des Schlussverses ist ein charakteristisches Element der barocken Lyrik.

Auffällig ist der Bezug zu Gott, dem durch die dreifache Nennung (V. 3; 6; 8) ein wesentlicher Anteil an der Liebe zweier Menschen zugeschrieben wird; in ihm werden die Partner vereint (V. 8).

Das Gedicht ist der Epoche des Spätbarocks zuzuordnen. Diese Epoche ist geprägt durch den 30-jährigen Krieg. In der Literatur dieser Epoche zeigen sich die Gegensätze von Todesfurcht und Lebensgier, sowie die Verbindung von Religiosität und Lebenslust, welches sich auch deutlich in dem Gedicht „Liebe ist stärcker als tödtliche Schmerzen“ durch die Verbindung des Gefühls der Liebe zu Gott zeigt. Die Lebenslust und Lebensgier überlagern deutlich die in der Zeit des Krieges verbreitete Todesfurcht. Lediglich die Wortwahl „tödlicher Schmerz“ (V. 1) und „Hitze und Flammen“ (V. 4) lassen eine Prägung durch das Kriegsgeschehen erahnen.

Bild-Quelle: Wikipedia Artikel Parnassus Boicus (gemeinfrei)