Der Käfer saß auf dem Zaun…

Heinrich Heine

Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
Er hat sich in eine Fliege verliebt.

Du bist, o Fliege meiner Seele,
Die Gattin, die ich auserwähle.

Heirate mich und sei mir hold!
Ich hab einen Bauch von eitel Gold.

Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

O daß ich eine Närrin wär!
Ein’n Käfer nehm ich nimmermehr.

Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.

Nach Idealen schwärmt mein Sinn,
Weil ich eine stolze Fliege bin. –

Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
Die Fliege ging ein Bad zu nehmen.

Wo ist denn meine Magd, die Biene,
Daß sie beim Waschen mich bediene;

Daß sie mir streichle die feine Haut,
Denn ich bin eines Käfers Braut.

Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
Viel schöneren Käfer gab es nie.

Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
Vor Neid wird bersten gar manche Schmeißfliege.

Spute dich, Bienchen, und frisier mich,
Und schnüre die Taille und parfümier mich;

Reib mich mit Rosenessenzen, und gieße
Lavendelöl auf meine Füße,

Damit ich gar nicht stinken tu,
Wenn ich in des Bräutgams Armen ruh.

Schon flirren heran die blauen Libellen,
Und huldigen mir als Ehrenmamsellen.

Sie winden mir in den Jungfernkranz
Die weiße Blüte der Pomeranz.

Viel Musikanten sind eingeladen,
Auch Sängerinnen, vornehme Zikaden.

Rohrdommel und Horniß, Bremse und Hummel,
Die sollen trompeten und schlagen die Trummel;

Sie sollen aufspielen zum Hochzeitfest –
Schon kommen die bunt beflügelten Gäst,

Schon kommt die Familie, geputzt und munter;
Gemeine Insekten sind viele darunter.

Heuschrecken und Wespen, Muhmen und Basen,
Sie kommen heran – Die Trompeten blasen.

Der Pastor Maulwurf im schwarzen Ornat,
Da kommt er gleichfalls – es ist schon spat.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
Wo bleibt mein liebster Bräutigam? – –

Bim-bam, bim-bam, klingt Glockengeläute,
Der Bräutgam aber flog fort ins Weite.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
Wo bleibt mein liebster Bräutigam?

Der Bräutigam hat unterdessen
Auf einem fernen Misthaufen gesessen.

Dort blieb er sitzen sieben Jahr,
Bis daß die Braut verfaulet war.

 

„Der Käfer saß auf dem Zaun…“ erzählt in 29 Strophen die Geschichte von zwei Liebenden, die aus falscher Ziererei und verletztem Stolz doch nicht zueinander finden. Aufgebaut ist das Gedicht aus insgesamt 58 Versen, die sich gleichmäßig auf die Strophen verteilen und durch den durchgängigen Paarreim eine gleichmäßige Einheit bilden. Jeder Vers schließt mit einem Satzzeichen, ausgenommen die ersten Verse der Strophen 18 und 26. Diese beiden Verse verbinden sich durch Enjambements mit den darauffolgenden.

Die Protagonisten sind ein Käfer und eine Fliege. Der Käfer verliebt sich in die  Fliege und scheint zu ahnen, dass seine Liebe wohl nicht erwidert werden wird, denn er ist betrübt (V. 1). Trotzdem gesteht er der Fliege seine Liebe und hält um ihre Hand an. Dabei wird er nicht müde, seine Vorzüge zu betonen: den goldschimmernden Bauch und den rotleuchtenden Rücken (V. 6-8). Doch die Fliege lehnt ihn ab. Offenbar sind ihre Erfahrungen mit Käfern in der Vergangenheit nicht gut gewesen, denn sie hebt hervor: „Ein´n Käfer nehm ich nimmermehr“. Die Angebetete gibt dem Käfer zu verstehen, dass sie Reichtum und Optik nicht mehr locken können und sie an anderen Werten interessiert sei (V. 11).

In den folgenden Strophen wird allerdings deutlich, das, was die Fliege spricht und was sie denkt nicht übereinstimmen. Sobald der Käfer traurig nach der Verschmähung von dannen zieht, macht sich die Fliege an die Hochzeitsvorbereitungen. Sie ruft ihre Bediensteten herbei und lässt sich für die Vermählung herrichten (V. 17f, 26-30). Dabei kommt sie ins Schwärmen von dem Käfer, dessen sie nie einen hübscheren gesehen hat (V. 22).

Als die Hochzeitsvorbereitungen abgeschlossen sind, die Musiker aufspielen, die Gäste und Familie anwesend ist und der Pastor bereit, da fehlt nur noch der Bräutigam (V. 36-49). Der Käfer taucht nicht auf. Er bleibt der Hochzeit fern und sitzt auf einem Misthaufen, solange bis „dass sie Braut verfaulet war“.

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Heinrich Heine (Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1831)

Heinrich Heine gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern, Dichtern und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Er wird am 13.12.1797 mit dem Namen Harry Heine in Düsseldorf als ältestes von vier Kindern eines Tuchmachers geboren. Er wächst  in einem von der jüdischen Aufklärung geprägtem Elternhaus auf. Seine jüdische Herkunft und politische Einstellung machten ihn früh zum Außenseiter, was sein Leben und seine Werke prägt. 1803 eingeschult, wechselt er 1807 in die Vorbereitungsklasse des Düsseldorfer Lyzeums. Das verlässt er 1814 ohne Abgangszeugnis, um der Familientradition zur folgen und einen kaufmännischen Beruf an der Handelsschule zu erlernen.

1815 und 1816 arbeitet er als Volontär bei seinem Onkel in Hamburg und schreibt regelmäßig für den „Hamburger Wächter“. 1817 werden erstmals Gedichte von ihm veröffentlicht.

Für den kaufmännischen Beruf hat Heine keine Talent und auch seine Liebe zur Cousine Amalie erfüllt sich nicht.

Die Zeit seines Studiums ist mit vielen Umbrüchen verbunden: Er beginnt nach Familienstreitigkeiten 1819 vernab von Hamburg in Bonn ein Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften, besucht aber nur die Vorlesung von August Wilhelm Schlegel über die deutsche Sprache und Literatur. Im folgenden Jahr wechselt er nach Göttingen, muss aber nach einer Auseinandersetzung mit einem Komilitonen die Universität verlassen und wird auch aus der Burschenschaft ausgeschlossen, da er gegen das Keuscheitsgebot verstoßen hatte. In Berlin belegt er Vorlesungen bei Georg Wilhelm Hegel und bekommt Zutritt zu den literarischen Zirkeln.

1824 kehrt er nach Göttingen zurück und promoviert im Jahr darauf zum Doktor der Rechte. Damit er seine Anstellungschancen erhöht, lässt er sich taufen, hält dies aber gegenüber seiner Familie geheim. Mit der Taufe erhält er den Namen Christian Johann Heinrich Heine.

In dieser Zeit veröffentlicht er auch seine literarischen Werke, zunächst einen Gedichtband, dann Reiseberichte.

Viele seiner Werke werden ab 1827 zensiert, ab 1833 sogar verboten. Daraufhin geht er nach Paris ins Exil, wo er weiterhin schriftstellerisch tätig ist.

1833 lernt er auch Augustine Crescene Mirat kennen, die er 1841 im Rahmen einer katholischen Zeremonie heiratet – seine jüdische Herkunft hat er seiner Frau ein Leben lang verschwiegen.

In den 40ern radikalisiert sich Heines Ton, 1848 erleidet er einen Zusammenbruch und ist fast vollständig gelähmt. Auch in dieser Zeit lässt seine Liebe zur Literatur nicht nach. Er diktiert seine Texte einem Sekretär oder lässt seine Entwürfe in Reinschrift abschreiben. Die Korrektur gibt er nie aus der Hand, obwohl er fast vollständig blind war.

Heinrich Heine stirbt am 17.02.1856 in Paris und wird auf dem Friedhof Montmartre beerdigt.
Heinrich_Heine-Gleyre
Der kranke Heinrich Heine (Bleistiftzeichnung von Gleyre, 1851)

Bilder gemeinfrei aus Wikipedia (Heinrich Heine)