Was schlimm ist

Was schlimm ist
Gottfried Benn

„Was schlimm ist“ ist ein zunächst ungewohnt heiter wirkendes Gedicht Gottfried Benns, das aber zu seinem Ende hin an Bedeutungsschwere gewinnt. In sechs Strophen mit jeweils zwei bis vier Versen trifft Benn Aussagen darüber, was als schlimm empfunden werden kann. Dabei lässt sich ein dreigliedriger steigernder Aufbau auf formaler und inhaltlicher Ebene erkennen. Die ersten vier Verse thematisieren kleine Ärgernisse, die im Alltag begegnen können. Dazu gehört zum Beispiel ein empfohlenes Buch nicht lesen zu können, weil es nicht in die eigene Sprache übersetzt wurde (V. 1-3). Diese vier Strophen, die unter dem im Titel enthaltenen Positiv „schlimm“ zu fassen sind, vereinen sich auch durch den Wechsel von drei bzw. zwei Versen je Strophe. Im Gegensatz dazu enthalten die beiden letzten Strophen jeweils vier Verse. Gemeinsam ist allen Strophen, dass sie einem Satz entsprechen, dadurch aus unterschiedlich langen Versen bestehen und mit einem Satzzeichen abschließen. Ein durchgängiges Reimschema gibt es dabei nicht.

Stehen die ersten vier Verse unter dem Positiv „schlimm“, so beginnt die fünfte Strophe mit der Steigerung „sehr schlimm“. Der letzten Strophe vorangestellt ist der Superlativ „am schlimmsten“. In diesen Versen weicht der leichte Ärger über einen unglücklichen Zustand einem bedeutungsschwerem Gedanken. Benn setzt sich mit dem Tod auseinander und definiert in diesem Zusammenhang den Tod im Winter als das schlimmste, denn im Sommer ist „alles hell [..] und die Erde für Spaten leicht“ (V. 16-18).

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Gottfried Benn ca. 1951 (Zeichnung von Tobias Falberg, Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE)

Gottfried Benn wird am 2. Mai 1886 in Mansfeld, Sachsen-Anhalt geboren. Er wächst mit sieben Geschwistern auf. Benns Vater ist Pastor und betreibt zusätzlich eine kleine Landwirtschaft um die Familie zu versorgen. So wächst Benn zum einen mit Landarbeiterkindern und zugleich mit Söhnen des Adels auf.

Zur Mutter hat er ein sehr gutes Verhältnis. Die Beziehung zu seinem Vater ist hingegen angespannt. Zum Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn kommt es, als die Mutter an Brustkrebs erkrankt und der Vater aus religiösen Gründen eine Behandlung untersagt. Den Beziehungen zu seinen Eltern verleiht Benn in den Gedichten „Mutter“ (1912) und „Pastorensohn“ (1922) Ausdruck.

1897-1903 besucht er in Frankfurt das Friedrich-Gymnasium. Nach dem Abitur beginnt er in Marburg das Studium der Evangelischen Theologie und Philosophie. Dies geschieht auf Wunsch seines Vaters. Benn will ursprünglich Medizin studieren – ein langes und kostspieliges Studium. Ein Jahr später wechselt er an die Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, wird aber 1905 wegen „Unfleißes“ exmatrikuliert.

Daraufhin beginnt Gottfried Benn das ersehnte Medizinstudium. Er studiert an der Kaiser-Wilhelm-Akademie. Die Ausbildung ist dort kostenfrei für ihn, er muss aber für jedes Studiensemester ein Jahr als Militärarzt dienen.

1911 legt er das Staatsexamen ab und promoviert im darauffolgenden Jahr. Im Anschluss daran tritt er seinen Dienst als Militärarzt an, muss aber wegen gesundheitlicher Probleme aus dem Militär ausscheiden und hat fortan wechselnde Tätigkeiten im medizinischen Bereich.

Zwei Jahre später heiratet er Edith Brosin, mit der er 1915 eine Tochter bekommt.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wird Benn eingezogen und arbeitet an der Westfront als Arzt. 1917 eröffnet er seine eigene Praxis und ist fortan nur selten bei seiner Familie. Er nutzt die räumliche Trennung für seine literarischen Werke, aber auch für diverse außereheliche Beziehungen. Literarisch tritt Benn 1922 erstmals an die Öffentlichkeit. Seine „Gesammelten Schriften“ werden von dem jüdischen Verleger Erich Reiss veröffentlicht.

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Gottfried Benn, 1934 (Foto: Bundesarchiv)

Die Zeit des Nationalsozialismus prägt Benn auf ambivalente Weise. Benn bewegt sich zwischen Loyalitätsbekundungen für Hitler und Zweifeln am neuen Staat. 1938 wird er aus der Reichsschriftumskammer ausgeschlossen und es wird im verboten zu schreiben.
Benns Frau nimmt sich 1945 das Leben. Ein Jahr später wird Dr. Ilse Kaul die Frau an seiner Seite. Ab 1948 darf Benn auch in Deutschland wieder publizieren und erfährt einen schnellen Aufstieg, der seinen Höhepunkt mit der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 1951 erreicht.

1956 stirbt Benn im Alter von 70 Jahren am 07. Juli  in Berlin – an einem Sommertag, „wenn alles hell ist und die Erde für Spaten leicht“.