Hoffnung

von Friedrich Schiller

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Thoren.
Im Herzen zündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.


Die erste Strophe des Gedichts Hoffnung von Friedrich Schiller handelt davon, dass die Menschen viel von besseren Tagen reden und träumen, dass sie nach einem „glücklichen, goldenen Ziel“ (V.3) rennen und immer auf Verbesserung hoffen. Eine Kritik schwingt schon hier mit, wenn die Menschen nach dem Ziel „rennen und jagen“ (V.4) und „immer“ (V.6) auf Verbesserung hoffen, sie sind demnach nie zufrieden mit dem was sie haben und kriegen nie genug.

In der zweiten Strophe führt die Hoffnung den Menschen in das Leben ein, gemeint ist hier die Geburt und die Möglichkeiten, die ein neues Leben bieten kann. Der Knabe ist „fröhlich“ (V.8), denn er kennt noch nicht die Zwänge und Pflichten des erwachsenen Lebens, und wird als „Jüngling“ (V.9) von ihrem „Zauberschein“ (V.10) gelockt, also von der Hoffnung auf ein erfülltes Leben. Dass es sich dabei um einen Zauberschein handelt, der in der Realität nicht aufrecht erhalten werden kann, vertieft den kritischen Unterton des Gedichts.
Ist der Jüngling dann zum „Greis“ (V.10) geworden, wird die Hoffnung nicht mit ihm begraben, denn beschließt er im Grabe auch den „müden Lauf“ (V.11) des Lebens, entsteht noch am Grab wieder Hoffnung (vgl. V.12). Damit beschreibt das Gedicht den Kreislauf von Leben und Tod, vom Werden, Vergehen und wieder Werden der Natur.
Die dritte Strophe setzt sich inhaltlich etwas ab von den ersten beiden. Hier betont das lyrische Ich, dass es „kein leerer, schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Thoren“ (V.13) ist, dass die Menschen zu was Besserem geboren sind. Es ist also kein „Wahn“ des Verstandes, sondern eine Erkenntnis des „Herzen[s]“ (V.15). „Und was die innere Stimme spricht“ (V.17), also die Stimme des Herzens, ist wahr, denn sie „täuscht die hoffende Seele nicht“ (V.18). Was das lyrische Ich uns also mitteilt, ist das, was wir auch aus der Weisheit unserer Großeltern kennen: Höre auf dein Herz.

Während sich das lyrische Ich in den ersten beiden Strophen noch deutlich von den Menschen distanziert, indem es in der dritten Person von ihnen spricht, zählt es sich in der dritten und letzten Strophe hinzu, denn im 16. Vers heißt es: „Zu was Besserm sind wir geboren“.

Schillers Büste (Foto: Fewskulchor, CC3.0-Lizenz, Quelle: Wikipedia)
Schillers Büste (Foto: Fewskulchor, CC3.0-Lizenz, Quelle: Wikipedia)

Von seinen Zeitgenossen wurde Friedrich Schiller (1759-1805) besonders wegen seiner Dramen geschätzt. Doch auch mit seiner Lyrik sowie mit seinen prosaischen und historischen Schriften fand er Anerkennung. Das Gedicht „Hoffnung“ wurde in einer Jubiläums-Ausgabe des Cotta´schen Verlags aus Stuttgart veröffentlicht. Die Gedichte dieser Prachtausgabe sind in drei Perioden eingeteilt, Hoffnung stammt aus der dritten und umfangreichsten Periode. Gewidmet wurde die Prachtausgabe dem Großherzog von Sachsen Karl Alexander.

Seit 1791 plante Schiller mit dem Verleger Siegfried Leberecht Crusius (1738-1824), der eines der fünf wichtigsten Verlagshäuser der Spätaufklärung unterhielt, eine Gesamtausgabe seiner Schriften, die erste Sammlung erschien im Jahr 1800. Die Gedichte seiner Jugend sortierte er allerdings zunächst aus. 1803 erschien die nächste Sammlung, die auch einige von Schillers Jugendgedichten enthielt. Schiller war die Gestaltung der Bücher besonders wichtig. Sie sollten von typografischer Schönheit und auf gutem Papier gedruckt sein. Außerdem sollten sie durch äußere Eleganz bestechen.

Als Crusius dem Dichter vorschlug, eine Prachtausgabe zu gestalten, freute sich Schiller sehr und übertrug dem Verleger gleich die Eigentumsrechte für die künftigen Auflagen. Die Prachtausgabe sollte den höchsten Ansprüchen gerecht werden, so forderte Schiller ein Großformat, schönste Kupferverzierungen, Vignetten zu Beginn und zum Ende der Gedichte. Außerdem schlug er einen hohen Verkaufspreis vor, da die teuren Prachtausgaben seinen Beobachtungen nach zuerst gekauft wurden.

Schillers Tod am 9. Mai 1805 verhinderte die weitere Arbeit und den geplanten Druck der Prachtausgabe. Und seine Witwe Charlotte gab den gesamten literarischen Nachlass an den Verleger Cotta ab. Crusius war damit nicht einverstanden, hatte er doch die Eigentumsrechte von Schiller selbst erhalten. Crusius wollte die Rechte nicht aufgeben und so wandte sich Charlotte im November 1807 mit der Angelegenheit an den König. Der König entschied zu Gunsten beider Verleger, sowohl Crusius als auch Cotta durften künftig Schillers Schriften herausgeben.

Die Prachtausgabe erschien schließlich im Cotta´schen Verlag, allerdings erst im Jahr 1859, zu Schillers 100. Geburtstag. Dabei handelt es sich um das erste Werk der Buchdruckerkunst, das mit Fotografien geschmückt verlegt wurde. Was die Einteilung der Gedichte in Perioden angeht, so entschied sich der Verlag für eine chronologische  Anordnung, nicht für die Ordnung, die Schiller vor seinem Tode vorgenommen hatte.

Schiller_Gedichte
Quelle:
Friedrich Schiller
Gedichte
Vollständiger Nachdruck der illustrierten Prachtausgabe von 1859
Verlag: TASCHEN GmbH, Köln, 2004
ISBN: 3-8228-3507-2