Worte

Ein Wort ist hässlich, ein anderes schön
Ein Wort zum Hören und eins zum Verstehen
Ein Wort ist mächtig, denn Worte sind Macht
Drum gib auf die Worte, die du sprichst, acht

Ein Wort kann betören und Dinge verdrehen
Ein Wort kann dich führen, lässt Neues dich sehen
Ein Wort kann dir helfen, viel zu entdecken
doch kann ein Wort auch manches verstecken

Ein Wort schafft Welten, Zeiten und Räume
Ein Wort bietet dir bezaubernde Träume
Ein Wort hilft dir in Kummer und Pein
Doch lässt ein Wort dich auch oft allein

Ein Wort bietet Erlösung, Hilfe und Rat
Ein Wort macht aber auch aus dem Kreis ein Quadrat
Ein Wort wirkt bezaubernd, wenn du es hörst
Doch hörst du ein anderes, ist alles zerstört

Ein Wort kann kalt sein, bitter, gemein
Ein Wort ist oft nicht mehr als Schein
Ein Wort ist tödlich wie härtester Stahl
und schmeckt auch mit Süßstoff nur bitter und schal

Ein Wort, das du hörst… prüf es penibel
Und werd dem Gehörten gegenüber sensibel
Versuch zu entdecken, was hinter ihm steckt
Und was der Sager mit dem Wort verdeckt

Lerne zu hören, bevor du es glaubst
Ehe dir ein Wort deine Hoffnungen raubt
Höre auf dein Herz und nicht auf dein Ohr
Und stelle dir immer den Spiegel davor

Prüfe das Wort, eh du es sprichst
Ob du es nicht schon bald wieder brichst
Und denke daran, Worte sind Macht
Darum bitte ich dich: Gib auf sie acht!

Michael Haeser

In Michael Haesers Gedicht „Worte“ (2005) dreht sich alles um die Macht des gesprochenen Wortes. In acht Strophen mit je vier Versen im Paarreim erläutert das lyrische Ich, was Sprache schaffen kann, es lassen sich Sachverhalte „verdrehen“ und „verstecken“ und in schwierigen Zeiten trösten uns nette Worte über „Kummer und Pein“ hinweg. Und wenn ein Wort uns „bezauber(t), dann braucht es häufig nur ein negatives, um diesen Zauber wieder zu brechen. Durch Worte können wir anderen Menschen klar und deutlich mitteilen, was wir von ihnen halten, wir können „gemein“ sein und wenn wir ein nettes Wort sagen, obwohl wir eigentlich das Gegenteil meinen, dann klingt bzw. „schmeckt es (…) bitter und schal“. Damit wir die Botschaft unseres Gegenübers gänzlich erfassen können, reicht es nicht, nur die Worte zu hören, sondern auch das Gemeinte zu verstehen. Darum ist es manchmal erforderlich das gesprochene Wort „penibel“ zu prüfen und dem „Gehörten gegenüber sensibel“ zu werden. Wie sich zum Beispiel auch in der Kunsthistorik das sehende Sehen vom objektiven Sehen unterscheiden lässt, werden also auch hier zwei Formen des Hörens herausgestellt und das lyrische Ich appelliert an das lyrische Du: „Lerne zu hören“ und damit nicht einfach alles zu glauben, was es hört. Ebenso, so appelliert das lyrische Ich weiter, solle das lyrische Du das Wort, das es selbst sprechen will auf seine Beständigkeit prüfen, z.B. wenn etwas versprochen wird.Insgesamt erhält das Gedicht durch die reichlichen Imperative, wie „Versuch zu entdecken“, „Lerne zu hören“, „Höre auf dein Herz“, „Prüfe das Wort“ und „Gib auf sie acht!“, einen appellativen Charakter.

Michael Haeser ist Diplom-Psychologe in Duisburg. Er verfasste schon als Kind das eine oder andere Gedicht. Später kommen auch Lieder hinzu, die zum Teil auch musikalisch umgesetzt werden. Das Lied „Schattenwesen“ etwa wird von der klassischen Sängerin Uta Simone gesungen und handelt davon, wie dunkle Kräfte lauern und locken und dabei immer mehr Lebenskraft einfordern.

„Der Fuchs“ – ein „fabel“haftes Buch

Inspiriert von Saint-Exupérys Figur des kleinen Prinzen stammt auch das Buch „Der Fuchs – Auf der Suche nach dem Kleinen Prinzen“ aus Michael Haesers Feder. Das Buch ist schwerkranken Menschen gewidmet sowie seiner geliebten Frau, die an der unheilbaren Krankheit ALS gestorben ist. Dabei wendet Haeser seine beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse gekonnt an, um auch literarisch Hilfestellung zu leisten. Denn wie kann man mit der Trauer umgehen und mit dem Leben, das noch vor einem liegt und das in dem Moment des Verlustes so hoffnungslos und sinnlos erscheint? Ganz einfühlsam holt Haeser seine Leser mit dem „Fuchs“ im Moment der tiefsten Trauer ab und führt sie wieder zu Begegnungen mit anderen Wesen, aber auch zu der Berührung mit Gefühlen wie der Liebe, der Frustration und der Einsamkeit. Nicht wenige Menschen zerbrechen an dem Verlust eines geliebten Menschen, vor allem wenn es sich um den allerbesten Freund, die große Liebe oder die liebevollen Eltern handelt, denn die Geborgenheit, die solche Menschen unserem Leben schenken, ist nicht ersetzbar. Der „Fuchs“ zeigt uns dabei, dass es einen Weg aus der Trauer gibt. Mit einem sehr schönen Titelbild und einem Inhalt aus fabelartigen Geschichten bietet uns „Der Fuchs“ ein Stück künstlerisch umgesetzte Seelentherapie.

 

Michael Haeser
Der Fuchs – Auf der Suche nach dem Kleinen Prinzen
Windsor Verlag,
ISBN: 9781627841559, EUR 9,99

Bildquelle: privat