Eine Tomate ist eine Tomate ist eine Tomate

Wegener2Eine Tomate ist eine Tomate ist eine Tomate – falsch gedacht! Natürlich gibt es bei Gemüse verschiedene Sorten, viele davon schaffen es aber nicht oder nur sehr selten in unseren Mund, da der (Super-)Markt vorgibt, was uns zu gefallen hat. Eine der bekanntesten Regulierung für unser Gemüse ist wohl die Gurkenverordnung. Diese legte fest, dass eine Gurke der Handelsklasse „Extra“ höchstens eine Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge haben durfte. Was krummer war, musste separat verkauft werden.
Dass aber gerade die außergewöhnlichen und auch alten Sorten einen besonderen Reiz haben, hat Thomas Wegener entdeckt. Kultürlich.de hat ihn auf dem Wochenmarkt getroffen und mit ihm ein Gespräch geführt.

Guten Tag Herr Wegener, wir stehen ja gerade auf dem Wochenmarkt in Dortmund. Was verkaufen Sie hier?
Wir produzieren 60 verschiedene Sorten Gemüse. Dazu gehören 30 Sorten Tomaten, über 10 Sorten Gurken, fünf, sechs Sorten Zucchinis, Auberginen, Chilis, Salate, Porree, Kohlrabi – alles eigene Produktion, alles unbehandelt.

Warum verkaufen Sie hier auf dem Markt und nicht an Supermärkte?
Ich habe einige Zeit an den Lebensmitteleinzelhandel in unserer Region geliefert. Die wollten allerdings verpackte Ware haben, was ich grundsätzlich ablehne, weil der Kunde keine Möglichkeit mehr hat daran zu riechen oder zu fühlen, was er kauft. Außerdem war der Arbeitsaufwand auch zu hoch für Minigebinde von 125 Gramm, da habe ich es dann eingestellt.

Wie lange sind Sie schon dabei?
Mit dem Gemüse habe ich im Jahr 2010 angefangen aber eigentlich für mich selber, meine Kinder und Familie. Das hat dann solchen Zuspruch gefunden, dass ich das Jahr drauf die Anbaufläche vergrößert und in diesem Jahr noch einmal verdoppelt hab, aber es ist schon wieder alles ausverkauft – es war zu wenig.

Allein 30 Tomatensorten – braucht man das? 30 Stück?
Wenn Kunden zu mir an den Stand kommen, kennen die mich ja noch nicht. Die haben jahrelang irgendwo ihr Gemüse gekauft, entweder im Supermarkt oder auf dem Markt bei irgendjemandem, diese Menschen müssen einen Grund haben, stehen zu bleiben – das war bei mir im letzten Jahr und auch dieses die Vielfalt an Tomaten, die sonst einfach auch nirgends zu finden ist. Das ist auch ein Aspekt warum ich mir die Riesenarbeit mache, aber auch weil es mir Spaß macht, alte Sorten auszuprobieren und am Leben zu halten. Die Produzenten sind gerade dabei, diese ganze alte Sortenvielfalt auf den Müll zu werfen zugunsten weniger hochgezüchteter Sorten, die von den Konzernen in den Markt gedrückt werden. Da geht so viel verloren, dass ich mich da auf die Seite derer stellen will, die sagen: „Wir haben ein ganz tolles Quantum an alten Sorten“ und irgendjemand muss die auch weitermachen, sonst gibt es die bald nicht mehr.

Was halten sie denn vom Sortenschutz, der Züchtern das alleinige Vermarktungsrecht garantiert? Zum Beispiel wie bei der Kartoffelsorte Linda, die ja dann, als der Sortenschutz auslief, vom Markt genommen werden sollte.
Es ist völliger Humbug, eine reine Lobbyentscheidung. Zum Glück gibt es jetzt ja die Einschränkung, dass Kleinbetriebe die alten Sorten anbauen dürfen, da gab es ja ein Gerichtsurteil. Wäre das nicht so gekommen, hätten wir tatsächlich hier Strafe zahlen müssen, für das was wir machen – nämlich alte Tomatensorten verkaufen, die hätten wir als Zierfrüchte verkaufen müssen.

Wegener1Sie haben sich fünf Grundsätze auf die Fahne geschrieben: Saubere Erde, sauberes Wasser, keimfreie Düngemittel, kein chemischer Pflanzenschutz, keine Gentechnik.
Warum diese 5?
Ich mag die fünf, weil die Rose fünf Kelchblätter hat. Aber es hat keinen besonderen Grund, warum ich diese Zahl gewählt habe. Ich habe versucht, zusammenzufassen, nach welchen Grundsätzen ich kultiviere und das ist rausgekommen. Man hätte das viel einfacher zusammenfassen können: Ich baue so an, dass ich meine Kinder in jedes Gewächshaus schicken kann und sagen kann: „Ihr dürft alles essen, was da wächst – ungewaschen“. Dem Menschen ist das Verhältnis zur Natur und zu natürlich Lebensmitteln abhanden gekommen. Es war der Versuch, zusammenzufassen, was mich unterscheidet von anderen.

Krumme Salatgurken, violette Paprikas, wer kauft denn das? Wie charakterisieren Sie Ihre Kundschaft?
Das ist schwierig. Meine Kundschaft ist ganz kunterbunt gemischt von Sterneköchen bis zu Schrebergärtnern. Man kann nicht sagen, das ist ein bestimmter Menschenschlag oder eine bestimmte Schicht, es geht ganz querbeet. Jeder hat einen anderen Grund, warum er das zu schätzen weiß. Der eine, weil es unbelastet ist, der andere, weil es was Neues ist und der Dritte, weil er weiß, die Sorte ist super im Geschmack.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wegener!