“Weiße Wölfe- eine graphische Novelle über rechten Terror”

Normalerweise kennt man die Bildergeschichten, auch Comics genannt, eher mit Superhelden oder Mickey Maus. Bunte Zeichnungen und Ausdrücke wie „Bam“ oder „Splash“ sind dort in vielfarbigen Sprechblasen zu sehen. Nicht zuletzt durch die amerikanische Erfolgsserie „The Big Bang Theory“ sind Bücher wie diese beliebt und bekannt.hand-281995_640
Doch auch diese Art von Literatur lässt sich nicht nur für lustige Abenteuergeschichten nutzen, wie der Chefredakteur des gemeinnützigen Recherchebüros „CORRECT!VE“, David Schraven, und der Illustrator Jan Feidt gezeigt haben.
In ihrer grafischen Reportage „Weiße Wölfe- eine graphische Novelle über rechten Terror“ haben sie sich mit der Neonaziszene in Dortmund und deren Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialistischen Untergrund beschäftigt.
Anlass hierfür war der Mord an Mehmet Kubasik am 4. April 2006. Der Kioskbesitzer wurde in seinem Laden in der Dortmunder Nordstadt ermordet, welcher in der Nähe eines damaligen Treffpunktes der Dortmunder Neonazis lag. Dieser Mord reihte sich in die Serie der NSU- Morde ein, welche zwischen 2000 und 2006 geschehen waren.
David Schraven stellte sich zunehmend die Frage, welches Rätsel hinter dem Mord an Kubasik steckt und wollte das Netzwerk der Neonaziszene und deren Machenschaften genauer unter die Lupe nehmen. Dafür hat der Journalist zwei Jahre lang in der Szene recherchiert und seine Ergebnisse zusammen mit dem Illustrator Jan Feidt zu Papier gebracht.
Im Gegensatz zu anderen Comicbüchern wurde in diesem nur mit schwarz und weiß gearbeitet. Dies unterstützt die Authentizität der Bilder, die auch eine gewisse bedrückende Stimmung beim Leser auslösen. Auch der Einsatz von Szenesymbolen sowie Szenekleidung hilft dabei. Die Bilder sind teilweise aus Fotografien entstanden und nur wenig abgewandelt worden.
Da keine Panelstruktur in dem Comic genutzt wurde, wird der Lesefluss in eine bestimmte Richtung gelenkt und an prägnanten Stellen unterbrochen.
Zu Beginn wird jedes Kapitel mit Auszügen aus den „Turner- Tagebüchern“ eingeleitet. Diese Tagebücher, verfasst von William L. Pierce, befassen sich mit der Idee der zellengestützten Nazigewalt und dem unausweichlichen Rassenkampf. Eine rassistische Untergrundorganisation verschafft sich hierbei durch Banküberfälle das nötige Geld für Waffen und zeigt durch verschiedene Tötungen und Brandanschläge, dass sie Terror gegen das System, also den Staat, ausüben möchten. Sie stellen für viele rassistische Gruppierungen eine Grundlage für ihr Vorgehen dar.
Die graphische Reportage ist in zwei Handlungsebenen geteilt: Auf der einen Seite macht sich der Journalist auf Spurensuche und spricht mit Mitgliedern von antifaschistischen Gruppierungen und der rechten Szene sowie einem ehemaligen Mitglied der „Combat 18“ Gruppe, welche sich als neonazistisch-terroristische Organisation beschreiben lässt. Auf der anderen Seite werden die Biografie und die Erlebnisse dieses ehemaligen Mitglieds veranschaulicht. Das Nachwort bildet ein Beitrag von Autor Thomas Kuban („Blut muss fließen. Undercover unter Nazis“) zum Thema der Radikalisierung rechter Kinder durch den Einfluss von Nazi-Musik.

Die Bildergeschichte zeigt deutlich, wie die gewaltbereiten Neonazis international vernetzt sind, wie sie arbeiten und mit Waffen handeln sowie neue Gruppen bilden. Ein Anschlag einer Gruppierung bringt häufig einen weiteren Anschlag mit sich, der als Antwort auf den ersten Anschlag verstanden wird. In dieser schier endlosen Gewaltschleife findet sich die Novelle wieder. Der Titel „Weiße Wölfe“ stammt von der gleichnamigen deutschen Rechtsrock-Band aus dem Sauerland.
Häufig wurden Comics wie diese scharf kritisiert. Ein ähnliches Beispiel für solche Bildergeschichten gab der US-amerikanische Comickünstler Art Spiegelmann mit seinem „Holocaustcomic“, in dem die Juden als Mäuse und die Nationalsozialisten als Katzen dargestellt sind. Wo auf der einen Seite eine Verharmlosung durch Comiczeichnungen gesehen wird, spricht man auf der anderen Seite von einer gelungenen Distanz und einer darstellerischen Ebene, die nur mittels dieser Zeichnungen möglich sei. Gerade junge Menschen werden auf diese Art und Weise besser erreicht und dazu bewegt, sich mit Themen wie diesen auseinanderzusetzen und sie kritisch zu hinterfragen. Viele Lehrende an Schulen haben Comicbücher bereits als Unterrichtsmaterial genutzt.
Die graphische Reportage über 224 Seiten gibt es unter anderem im Online Handel der
„CORRECT!VE“ Redaktion für 15 Euro. Weitere Informationen und eine freie Version der graphischen Reportage gibt es hier!

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