Ferdinand von Schirach: „Terror”

Buchtipp

buchNachdem ich bereits „Die Würde ist antastbar”, „Schuld“ und „Der Fall Collini“ begeistert gelesen hatte, wartete ich ungeduldig auf „den neuen Schirach“. Ferdinand von Schirach erzählt in klarer, präziser und intelligenter Sprache von fesselnden Gerichtsfällen. Jedes Wort sitzt, jeder Satz tiefgründig und fehlerfrei durchdacht. Leise und dennoch gewaltig. Geradezu mühelos scheint von Schirach die richtigen Worte zu finden. Kein Detail ist überflüssig, kein Sinn verfehlt. Der Berliner Strafverteidiger eröffnet den Lesern die Welt der Gerichtssäle: spannend, interessant und verständlich. Oft geht es um Verrat, Folter oder Mord und es sind die Protagonisten, die nicht stumpfe sondern markante Persönlichkeiten aufzeigen und den Geschichten dieses besondere Etwas verleihen. Mit „Terror“ traut sich von Schirach an ein Bühnenstück – mit Erfolg.

Das Theaterstück handelt von einem Prozess gegen einen Piloten, der sich über geltendes Recht hinwegsetzt und sich dazu entschließt, das von einem Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abzuschießen, um zu verhindern, dass es in ein Fußballstadion stürzt und „verheerenderes” anrichtet. Das moralische Dilemma besteht darin, das entführte Flugzeug in das ausverkaufte Stadion stürzen zu lassen (mit einer ungewissen Anzahl an Opfer) oder den Tod der Flugzeugpassagiere in Kauf zu nehmen, um „schlimmeres” zu vermeiden. Der Protagonist wählt letztere Option und muss sich nun vor Gericht für sein Handeln verantworten wobei die Zuschauer/Leser als Richter fungieren und am Ende des Stücks über Schuld und Unschuld urteilen und abstimmen – die Bühne wird zum Gerichtssaal.

Von Schirach erklärt in seinem außergewöhnlichen Schreibstil die Gesetzeslage und diesen einen, doch sehr wichtigen Aspekt hinsichtlich der Unantastbarkeit der menschlichen Würde. So ertappt man sich als Leser hier und dort dabei, wie schnell sich doch die eigene  Meinung ändert, sobald man hin- und hergerissen ist zwischen Recht und Moral. Ist der Protagonist ein Held oder ein Mörder? Selbst als Laie ist man dank Schirach und seiner verständlich ausgedrückten Rechtssprache problemlos mittendrin im juristischen Verfahren…

Es ist ein emotional aufgeladenes, rationales Stück von bedrückender Aktualität. Es geht um Fragen wie: Kann man seine Moralvorstellung über die Verfassung stellen? Wiegt ein Leben ein anderes auf? Darf man Leben verrechnen? Darf man Gott spielen? Wer ist der Täter? Was macht ihn zum Täter? Was ist Schuld, was Unschuld?

Durch seine kühle und elegante Darstellungskraft zieht von Schirach die Leser in seinen Bann. Wie immer ist seine Geschichte nachschwingend und macht nachdenklich.

Der Justizfall erinnert an den berühmten “Weichenstellerfall”, ein philosophisches Gedankenexperiment, über das ich kürzlich schrieb und das hier nochmal
nachzulesen ist.

Am 14. Oktober läuft die Verfilmung des Stücks mit Florian David Fitz und Martina Gedeck in 100 deutschen Kinos an. Am 17. Oktober läuft der Film in der ARD.

Nach langer Zeit hat es ein Theaterstück in die Bestsellerlisten geschafft, alleine dafür gehen die Daumen hoch!

 

Bildquelle: Pixabay