Momente, die man nur kennt, wenn man seine Kindheit auf dem Land verbracht hat …

Ich hatte das Glück, die Vorzüge des Landlebens sowie die des städtischen Lebens kennenzulernen. Aufgewachsen auf dem Land, zog es mich nach der Schule zum Studium in die Großstadt – vom Rheinland in den Ruhrpott. Und obwohl ich mich mittlerweile zur echten Städterin entwickelt habe, bin ich doch auch sehr gerne Landei gewesen. Warum das so ist? Weil man folgende Momente eben nur kennt, wenn man in einem kleinen Dorf auf dem Land aufgewachsen ist:

Man ist ein Dorfkind, wenn …

  • man den Freund oder die Freundin spontan beim Austragen der Zeitung begleitet, sich die Gruppe der Zeitungsausträger irgendwann auf mindestens fünf Personen erhöht und die Zeitungen erst in sechs anstatt in zwei Stunden verteilt werden, weil man zwischendurch Äpfel und Kirschen von den Bäumen pflückt, ein Picknick auf dem Feld einschiebt oder weil die gesamte Mannschaft bei einem der Nachbarn spontan zum Kuchenessen eingeladen wird.

  • man sich auf den Kindergeburtstag auf dem Bauernhof freut, um mit den anderen Kindern zusammen auf dem Heuboden übernachten zu können.

  • man auf dem Feld sitzt, in die Ferne schaut und „Hahn oder Henne?“ spielt.

  • man mit jeglichen (handwerklichen) Problemen zur Bäckerin geht, die für alles eine Lösung und einen Fachmann kennt. Die Koordination übernimmt sie dann auch prompt, in spätestens einer Stunde klingelt die Lösung aller Probleme an der Haustür. Mal ist das dann der Elektriker, der für einen guten Kaffee alles repariert, was zu reparieren ist, mal der Gärtner, der seine Kniffe zur Problemlösung zur Verfügung stellt oder es ist Frau Schneider, die Nachhilfestunden für alle Fächer gibt.

  • man nur fünfmal am Tag die Möglichkeit hat, mit dem Bus ins nächstgrößere Dorf zu fahren, um von dort aus den nächsten Bus zu nehmen, der einen dann endlich in die Stadt fährt. An Sonntagen kommt man dann nicht mehr so „gut“ weg.

  • wenn die Bauern wieder einmal Gülle ausfahren und man im Sommer die Autolüftung ausschaltet, alle Fenster hochkurbelt und lieber in der Hitze brütet anstatt den Gestank auszuhalten (alle Gegenmaßnahmen sind sinnlos, man kann dem Geruch nicht entkommen!). Immerhin weiß man dadurch, dass es in Kürze regnen wird.

  • man den Busfahrer beim Namen kennt. Apropos Busfahrer: Der landet hin und wieder im Kuhstau und dann heißt es warten und warten und warten. Hat der Fahrer es dann endlich aus dem Stau oder einer anderen misslichen Situation geschafft, muss er meist auch das Lied „Ein Hoch auf unseren Busfahrer, Busfahrer, Busfahrer …“ über sich ergehen lassen, der Arme!

  • man Schneefrei bekommt, weil die Straßen nicht geräumt sind und der Bus nicht durchkommt.

  • sich alle ihre Schlitten schnappen und den Bauern fragen, ob er sie an seinen Traktor bindet und alle durch den Schnee zieht.

  • man sich sicher fühlt, weil in fast jedem Haushalt ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr anzutreffen ist.

  • jeder jeden im Dorf kennt und auch weiß, wer wann was macht. Anonymität? Fehlanzeige!

  • man lachen muss, wenn Städter von einem „Überwachungsstaat“ sprechen.

  • man jede Person, der man begegnet, immer schön freundlich mit Namen ansprechen und begrüßen muss.

  • man dieses eine Horrorhaus im Dorf kennt, um das man mit seinen Freunden herumlungert, weil sich zahlreiche gruselige Geschichten darum ranken.

  • man die Milch nicht im Tetra Pak, sondern (frisch) in der Kanne bei der Bäuerin von nebenan kauft. Wenn sie gute Laune hat, lässt sie dich auch kurz melken. Die Eier bekommt man übrigens auch Sonntags frisch aus dem Eier-Automaten.

  • die Nachbarn darauf achten, ob auch jeder seinen Müll trennt.

  • man stundenlang mitten auf der Straße spielt, ohne auf den Verkehr zu achten.

Ach, schön war’s!

Bildquelle: CCO Public Domain