Adé, alte Heimat!

Ich war immer eine überzeugte Nordrhein-Westfälin. Eine solche Vielfalt auf so kleinem Raum, besonders im Ruhrgebiet, in dem ich die Hälfte meines Lebens verbracht habe, habe ich bisher noch nie gesehen – und ich bin schon viel rumgekommen. Besonders das menschliche Miteinander habe ich immer geschätzt: offen, ehrlich, manchmal auch ein wenig ruppig, aber mit dem Herzen immer am rechten Fleck. Und nun verlasse ich Nordrhein-Westfalen und ziehe das erste Mal in meinem Leben in ein anderes Bundesland (aber immerhin direkt nach nebenan): Ich ziehe nach Braunschweig in Niedersachsen.

Die meisten kennen Braunschweig nur vom Vorbeifahren. Gelegen zwischen Hannover und Magdeburg, kommt man mit der Stadt oft nur in Kontakt, wenn man auf der A2 in Richtung Berlin oder zurück fährt. Zumindest war das bei mir immer so und dementsprechend verhalten war meine Begeisterung, als sich Braunschweig als mein neues Zuhause herausstellte. Doch anders als befürchtet ist meine anfängliche Skepsis schnell einer ziemlichen Überzeugung gewichen. Zwar ist Braunschweig nicht unbedingt die Partyhochburg Nummer 1, kulturelle Angebote gibt es dennoch massig. Auch meine Befürchtung zur öffentlichen Verkehrsanbindung konnte die 250.000-Einwohner-Stadt schnell beseitigen. Meine größte Angst, wenn es um einen potenziellen neuen Wohnort ging, war die Vorstellung, abends oder am Sonntag eine Stunde auf Bus und Bahn warten zu müssen. Tatsächlich jedoch fahren die Öffis dort – gemessen an Einwohnern und einer vergleichsweise kleinen Uni – ziemlich zuverlässig und oft.

Vor allem aber – und das hat mich schon bei meinem ersten Besuch begeistert und überrascht mich auch jetzt noch immer wieder – ist die Stadt an sich wunderschön. Die Oker, ein Fluss der dem Harz entspringt, umschließt den Innenstadtring vollständig, wodurch man sich immer entlang des Wassers bewegt. Allgemein spielt sich viel des Braunschweiger Lebens auf dem Gewässer ab. Neben einem großen Angebot an unterschiedlichen Floßtouren (mit Piano, Tapasessen oder Weinverkostung) gibt es auch eine Reihe an Wassersportaktivitäten. Was jedoch die Oker besonders reizvoll macht, sind die prächtigen Stadtvillen, die fast alle zur Jahrhundertwende entlang der Ufer entstanden und zu stundenlangen Spaziergängen einladen, die einen aus dem Staunen nicht mehr rauskommen lassen. Mehr noch als der Innenstadtbereich wartet jedoch die Altstadt mit einer beeindruckenden Architektur auf, einige Gebäude entstanden bereits im 9. Jahrhundert.

Wer genug vom städtischen Treiben hat, ist mit dem Rad innerhalb weniger Minuten im Grünen oder in malerischen kleinen Dörfern. Auch mit dem Zug lohnen sich Tagesausflüge, beispielsweise in den Harz, nach Goslar, oder – wenn einem der Sinn dann doch mal wieder nach Großstadt steht – ins nahegelegene Hannover. Auch Berlin ist von dort aus nicht mehr weit und mit dem Fernverkehr innerhalb von anderthalb Stunden zu erreichen. Möglichkeiten zur Flucht gäbe es somit allemal – nötig sind sie für mich aber nicht (mehr). Denn, kaum zu glauben, ich habe in Braunschweig ein richtiges Zuhause gefunden.

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