Kreativität – Mündigkeit – Originalität

In Zeiten der Postmoderne mit ihrer Gleichzeitig- und Gleichwertigkeit von Denkkonzepten, stellt sich die Frage nach Originalität und Kreativität eigentlich gar nicht. Jeder hat alles schon einmal gesagt, geschrieben oder gehört.

Zumindest in den Geisteswissenschaften scheint dies eine weit verbreitete Haltung – gar ein Bonmot – zu sein, wenngleich in den Naturwissenschaften ein anderes Selbstverständnis vorherrscht.

Folgte man jedoch der obigen Annahme, dann würde das Individuum in seinem Gestaltungsraum marginalisiert. Zugegeben eine harte Lesart, aber dennoch nicht ohne des Pudels Kern. Warum denken, wenn alles bereits gedacht oder gesagt worden ist? Die Tendenzen von Globalisierung und Digitalisierung unterfüttern diese Annahme. Inwiefern kann sich der Mensch nun in diesem Konstrukt der beliebigen Vergleichbarkeit behaupten? Zentrale Begriffe für eine Annäherung stellen die Begriffe Kreativität, Mündigkeit und Originalität dar.

Kreativität → schöpferische Kraft, kreatives Vermögen (duden.de )

Mündigkeit → Reife, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit (duden.de)

Originalität → auf bestimmten schöpferischen Einfällen, eigenständigen Gedanken o. Ä. beruhende Besonderheit; einmalige Note (duden.de )

Nun kann dies Schwerpunktsetzung einmal merkwürdig anmuten. Warum diese Begriffe? Sind nicht durch die Möglichkeiten des Austauschs und der Darstellung des eigenen Selbst, die Möglichkeiten der Einzigkeit größer als je zuvor? Theoretisch kann man dies annehmen, gleichzeitig sind aber auch gesellschaftliche Entwicklungen des Hyperindividualismus zu berücksichtigen. Dabei geht mit dem Hyperindividualismus das Individualismusparadoxon einher. So könnte ich anders sein, bin gleichzeitig aber wie alle anderen und strebe nach den gleichen Dingen und gleichen Lebensentwürfen.

Hierbei geht der Gehalt der Originalität verloren, mitunter auch der Begriff der Kreativität. Einzigkeit heißt zwar zwangsläufig Abgrenzung, muss aber keineswegs als anti-sozial gedacht werden. In einer gemeinsamen Geschichte – gemeint ist hier die Gesamtheit der Menschheitsgeschichte – liegt eben die Zusammengehörigkeit der Gattung Mensch. Diese Gemeinsamkeit ist auch keineswegs problematisch, da sie eine menschliche Hermeneutik darstellt. Und auf Ebene der Gesellschaft ist auch nichts gegen diese einzuwenden.

Was ist aber nun das Problem? Originalität und Kreativität können nur durch eine Reflexion auf die eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse zur vollen Geltung gelangen. Soll Originalität keine Schein-Originalität sein und Kreativität keine Schein-Kreativität, dann muss etwas hinzukommen, die Mündigkeit. Erst in der Abgrenzung, unter Berücksichtigung und Kenntnis der gesellschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse, kann das Individuum seinen eigenen Bedürfnissen frei, originell und kreativ nachgehen. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der individuellen Erfahrung, denn schließlich ist in der monetären Verwertung die Frage nach der Autorschaft virulent.

Aber ich möchte diese Kategorien – Begriffe – hier anders verstanden wissen: Nämlich als eng in hermeneutischer Tradition stehend. Es in der Tat so, dass viele Menschen vieles gedacht und auch vieles besser gedacht haben. Die Möglichkeit der Innovation besteht zwar, ist jedoch probabilistisch relativ gering. Dennoch besteht die Möglichkeit in der Montage von Denkkonzepten, wie man sie aus dem Film oder Literatur kennt, sich selbst in Kreativität und Originalität auszudrücken. Die Collage ist eben mehr als die Summe ihrer Teile. Kreativität, Mündigkeit und Originalität fragen dabei, in ihrem zusammenwirken, nach der Gültigkeit des Status quo.

Ohne Kopien kein Begriff des Originals; der Autor ist schon seit Langem tot und dadurch sind wir freier als zuvor. Und diese Freiheit hat gesellschaftliche Implikationen.

„Die Forderung zur Mündigkeit scheint in einer Demokratie selbstverständlich. […] Demokratie beruht auf der Willensbildung eines jeden Einzelnen […]. Soll dabei nicht Unvernunft resultieren, so sind die Fähigkeit und der Mut jedes Einzelnen, sich seines Verstandes zu bedienen, vorausgesetzt (Adorno 1972: 133).“

Literatur:

Adorno, Theodor W. 1972 . Erziehung zur Mündigkeit. Suhrkamp Frankfurt.

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