Warum Politiker und Fußballprofis einiges gemeinsam haben. Eine Rezension über „Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker keinen Klartext reden – und wieso das auch an uns liegt“

Der politische Betrieb und das Fußballstadion haben auf den ersten Blick wohl wenig gemein. Auf den zweiten Blick fallen jedoch Begriffe, wie Wettbewerb, Konkurrenz und Kampf, ins Auge. Abseits dieser klaren Parallelen beider Professionen – der des Fußballprofis und der des Berufspolitikers – lassen sich weitere ziehen. Eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit und ein überdurchschnittlicher Verdienst ließen sich als weitere Gemeinsamkeiten ausmachen.

Als zentraler Vergleichspunkt ist allerdings die mediale Kommunikation heranziehen. Es war ein „schwieriges Spiel“, „eine Mannschaftsleistung“ oder „wir denken nur von Spiel zu Spiel“, sind Phrasen, die sich durchaus mit „vollem Vertrauen“, „einer restlosen Aufarbeitung“ oder der „tragfähigen Zusammenarbeit“ vergleichen lassen.

Politiker und Fußballer haben die sprachliche Phrase gemeinsam, wenngleich die Phrase im politischen Kontext ungleich schwerere Auswirkungen hat, als im Fußball. In beiden Professionen wird nach Typen verlangt, nach solchen, die auch mal drauf hauen, aus dem Raster fallen. Aber es scheint Gründe zu geben, warum dies nicht mehr en vogue ist. Mit einigen dieser Gründe befasst sich das Buch „Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker keinen Klartext reden – und wieso das auch an uns liegt“.

Klare Ansagen – Klartext -, das ist etwas, was man sich in vielen Situationen wünscht. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Vertreter des politischen Systems eher mit Phrasen operieren, als mit wirklichen Inhalten aufzuwarten. Der Autor und Journalist, Oliver Georgi, setzt sich in seinem Buch mit der wortreichen Sprachlosigkeit der Politik auseinander.

Gegliedert in zehn Kapitel, in denen sich Georgi mit bekannten Phrasen, wie „Vertrauen, Verantwortung“, „Zukunft“ und „Ehrlichkeit“ analytisch auseinandersetzt, wird eine kleine Abhandlung von politischer Kommunikation und deren Verwebung in das mediale System und die öffentliche Meinung versucht. Die erste Frage, die es dabei zu beantworten gilt, ist die Frage nach dem warum. Also weshalb werden inhaltslose Worthülsen überhaupt verwendet?

Georgi geht davon aus, dass es keineswegs eine Täuschungsabsicht von Politikerinnen und Politikern gebe, sondern bestimmte Phrasen Teil der Sprache politischer Kommunikation sind. Dies sei auf die Sozialisation in Jugendparteien, die Angst vor Autoritätsverlust durch sprachliche Fehler als auch auf die befürchtete mediale und gesamtgesellschaftliche Rückwirkung zurückzuführen. Hierbei gelte es einer Trias der politischen Kommunikation Aufmerksamkeit zu schenken. Nämlich der:

„Dreiecksbeziehung zwischen, Politikern, den Wählern und den Medien wieder bewusster zu werden – auch weil die politische Kommunikation vor allem in der Ära Merkel so phrasenhaft geworden ist, dass es unserer Demokratie zu schaden beginnt. (S. 12)“

Weitergehend bezieht sich der Autor auf den medialen Bedingtheiten und Auswirkungen der Digitalisierung: „Politik, das ist – zumal in unserem medialen Zeitalter – eine große Bühne. (S. 17)“ Dabei betont er in Relation auf personalpolitische Äußerungen der Parteien, dass die Wankelmütigkeit der öffentlichen Meinung, bedingt auch durch die sich beschleunigenden Informationsflüsse, es nötig machten Äußerungen in der Schwebe zu halten. In Personaldebatten insbesondere, um eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft nicht im Vorhinein unmöglich zu machen. Auch zwischenparteiliche Konflikte werden auf diese Weise gedeutet und fielen so der diskursiven Vereinheitlichung anheim.

Der Autor verwendet dabei, zur Illustration seiner Thesen, angenehm zugängliche Allegorien. So werden die „ergebnisoffenen“ Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD (2017), zu einem unliebsamen Familienbesuch, der unliebsam, aber eben auch nicht zu vermeiden ist.

Allerdings wohnte politischen Phrasen, wie oben angerissen, eine destruktive Kraft inne, „[i]ndem sie selbstverständliches über Gebühr betonen, verweisen sie auf das Gegenteil und werden dadurch umso inhaltsleerer. (S. 31)“ Folgend ergäbe sich ein Glaubwürdigkeitsverlust, durch da sprachliche Vorspielen von Konsequenzen, die allerdings auf eine vorgefertigte Erwartungshaltung angepasst seien, was sich aus einer Risikovermeidungsstrategie heraus erklären lasse.

So konstatiert Georgi: „Wir wollen klare Worte und lieben die große Show, aber bitte nur theoretisch und solange es nicht wehtut. (S. 59)“

Die Öffentlichkeit wolle dabei Nahbarkeit und Authentizität, gleichzeitig ändere sich die öffentliche Wahrnehmung flugs zum negativen, wenn dieses Bild zwar bedient, aber andere Meinungen und Haltungen als die eigene geltend gemacht würden.

Auf der anderen Seite seien Sprachbilder wie der „kleine Mann“ oder die Selbstverpflichtung nun „Sorgen ernst nehmen“ zu wollen hochgradig paternalistisch. Diese Formulierungen erweckten schließlich den Anschein, dass bisher eben nichts für die betreffende Gruppe getan worden sei.

Allerdings sei auch zu beachten, dass „[d]urch die Echtzeit-Berichterstattung über Politik in den Online-Medien … die Zeit zum Nachdenken für Politiker immer geringer (S. 94)“ würde.

Diese mediale Öffentlichkeit – in ihrer Schnelllebigkeit – führe dazu, dass Politikerinnen die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten hätten: „Entweder sie sind empört. Oder sie sorgen selbst für Empörung. (S. 97)“

Georgi belässt es dabei nicht bei einer anekdotischen Analyse, sondern beendet sein Buch mit Vorschlägen, die einen „guten“ politischen Diskurs ermöglichen könnten.

Bei dieser kurzen Publikation (insg. 223 S.) handelt es sich um ein leicht zu lesendes, aber trotzdem interessantes Werk. Nach der Kenntnis der zentralen Thesen flacht das Buch in der zweiten Hälfte leider etwas ab, da das Analyseschema identisch bleibt, und somit wenig inhaltlicher Mehrwert generiert wird.

Das Durchexerzieren der Hauptthesen wird jedoch davon abgefedert, dass für jede neue Floskel neue politische Sachlagen aus der jüngsten Geschichte rezipiert werden, was die Angelegenheit dann doch recht kurzweilig hält. Man könnte kritisieren, dass vor allem die letzten fünf Jahre und in diesem hauptsächlich CDU und SPD als Analysematerial dienen. Ferner verkennt der Autor die soziostrukturellen Bedingtheiten von Realpolitik insofern, als gewisse Politikinhalte nicht Teil seiner Analyse sind. Zwar muss der sprachlichen Ausgestaltung Beachtung – durchaus exponierte Beachtung geschenkt werden -, aber die realpolitischen Handlungen werden selten thematisiert. Es ist zwar vieles Sprache, aber sicherlich nicht alles.

Dennoch ist ein veränderter politischer Diskurs mit mehr wirklichem „Mut“ und mehr wirklicher „Authentizität“ überaus wünschenswert. Ein Allheilmittel scheint dies gleichwohl nicht zu sein.

Wir sollten allerdings zu einem Diskurs finden, der nicht das beinhaltet, was die Band 1000 Robota einmal treffend formulierte: „Geh´ nicht zu weit, damit du dich selber noch stoppen kannst.“

Literatur: Oliver Georgi. 2019. Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker keinen Klartext reden – und wieso das auch an uns liegt. Dudenverlag: Berlin.

Foto: Andreas Breitling